Rudolf Steiner und die Fledermaus

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von Wolfgang G. Voegele –
Die aus Mannheim stammende Eurythmistin Ilona Schubert, geb. Bögel (1900-1983) erzählt in ihren Memoiren mehrere Theater-Erlebnisse mit Rudolf Steiner. In Stuttgart besuchte er in Begleitung der ganzen Eurythmietruppe Wagners „Meistersinger“, ein anderes Mal „Parsifal“, wobei er – Ilona berichtet es ausführlich – jedesmal interessante Bemerkungen zu den jeweiligen Stücken machte. Während der großen Vortragstournee Steiners im Januar 1922 fand im Mannheimer Musensaal eine Eurythmie-Matinee statt. Am Abend zuvor geschah jener Theaterbesuch, von dem Ilona schrieb:

Noch ein anderes Mal war ich mit Dr. Steiner im Theater. Das war nun etwas ganz Lustiges. In Mannheim wurde die „Fledermaus“ aufgeführt, davon erfuhren wir auch bei einem Mittagessen, ähnlich wie seinerzeit in Stuttgart. Herr Dr. Steiner war sofort begeistert und schlug vor, daß wir alle zusammen hingehen sollten. Er fing sogar an, einige Melodien daraus zu summen, und sagte: "Haben Sie die Fledermaus auch so gern?" Darauf erwiderte ich, daß ich sie nicht kenne, denn damals fühlte ich mich viel zu "erhaben", um in eine Operette zu gehen. Aber Dr. Steiner meinte: "Das muß man unbedingt kennen, das ist eine klassische Musik." So war wieder eine große Gesellschaft am Abend im Theater versammelt, und wir waren alle sehr vergnügt. Am ausgelassensten war beinahe Dr. Steiner selbst. Da kam der Wiener, der seinen Walzer-Strauß kannte und liebte, durch. Und
w i e er ihn kannte. In den Pausen bereitete er uns schon immer auf die Scherze des nächsten Aktes vor, und ich bemerkte, daß er während des Spiels ab und zu unsere Reaktionen beobachtete. Als wir dann in Dornach die Humoreske "Die Fledermaus" von Christian Morgenstern übten, wollte er, daß man vor Beginn des Gedichtes ein paar Takte aus der Operette spielen solle. Frau Dr. Steiner meinte, daß gehe doch wohl nicht gut. Aber Herr Doktor fragte: "Warum denn nicht?" und sang mit lauter Stimme verschiedene Takte vor. Wir fanden das natürlich herrlich, und so wurde das dann auch tatsächlich immer gemacht. Erst kamen ein paar Takte der Musik und dann sprangen mit dem letzten Ton Fräulein von Baravalle, die die Straußsche Fledermaus darstellte, und ich, die das Tier darzustellen hatte, auf die Bűhne. Frau Doktor hat es dann auch immer sehr viel Spaß gemacht. 

Foto: Abbildung aus dem „Mannheimer Generalanzeiger“ Nr. 35, 8.Seite.

[Ilona Schubert: Selbsterlebtes im Zusammensein mit Rudolf Steiner und Marie Steiner. Basel 1985, S. 75]

Die genannte Fledermaus-Aufführung fand im Nationaltheater am Samstag, den 21. Januar 1922 statt. Siehe Abbildung aus dem „Mannheimer Generalanzeiger“ Nr. 35, 8.Seite.

Zum historischen Kontext vgl. W. G. Vögele: Rudolf Steiner in Mannheim. Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 120, Dornach, Frühjahr 1998, S. 12 f. 

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