Manfred Maurenbrecher im Bochumer Kulturrat

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von Michael Mentzel 

Ein Abend mit Manfred Maurenbrecher ist etwas Besonderes. Der Berliner Liedermacher, seit Beginn der 1980er Jahre im "Geschäft", versteht sein Handwerk, Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Meister. Einer, der nicht lange herum redet, sondern zur Sache kommt. Eine Bühne, ein Klavier und ein Maurenbrecher solo. Mehr braucht es nicht, um sein Publikum zu begeistern. Ob es nun zahlreich erschienen ist oder dass, wie am vergangenen Wochenende in Bochum, nur etwa 25 Personen den Weg in den Kulturrat gefunden haben, tut der Sache dabei keinen Abbruch. 

Der mit dem Stein im Schuh

Wenn Manfred Maurenbrecher zur "Overtüre" über seine Gefühle und Befindlichkeiten singt, die in überkommen, wenn er einen Stein im Schuh hat, der zwar fürchterlich drückt und verdammt wehtut, ihn aber nicht daran hindert, weiterzumachen, wissen wir, wo der Hase läuft. Es muss weitergehn! 

"Menschen machen Fehler", so heißt seine aktuelle CD * und sein aktuelles Programm. Dieses Programm enthält eine Fülle von Beobachtungen, die Maurenbrecher mit wachen Sinnen und wortgewaltig zu Texten formt, die seine Zuhörer unweigerlich in ihren Bann ziehen. Dazu eine stimmige, mal temperamentvolle, mal gefühlvolle Klavierbegleitung inklusive einer schwungvollen Drehung in Richtung Publikum, wenn der Song beendet ist.

Der Liedermacher erzählt von seinen Reisen nach Irland, wo "ein Lied beim Singen entsteht", oder in die Türkei, sein Lieblingsreiseland, wo er auf einer Busfahrt eine Brücke sieht, mit zwei Auffahrten, die nicht zueinander passen und wo die Menschen mit ihren Fehlern "weit in das Dunkel" hinein gehen. Aber sie, so sein Fazit, "kommen heller wieder raus."

Die Welt ist am Durchdrehen

Eine gute Frage: Kann man die alten Wege eigentlich noch gehen? Ein zehn Jahre altes Lied "Die Welt ist am durchdrehen" und dass er sich damals mit seinem Publikum gefragt hätte: Übertreibe ich vielleicht wirklich ein bisschen? So schlimm wird es doch nicht kommen? Seine Antwort: Nun, schauen wir uns um in der Welt. 

Vom neuen Rom

Trotz alledem, Maurenbrecher ist utopisch-hoffnungsvoller Optimist, wenn er von einem neuen Rom singt, in dem es "gleicher" zugeht und in dem es heißt, "Vom Ich zum Du, vom Ihr zum Wir". 

Etwas nostalgisch kommt dann das Lied "Musik" daher, in dem er über die alten Zeiten singt, in denen man Musik noch entdecken musste. Und heute? "Ein Klick und schon hast Du hundert Millionen Songs". Spotify und Co. lassen grüßen. 

Dass Manfred Maurenbrecher aber den neuen Medienformen keineswegs feindlich gegenübersteht, beweisen seine zahlreichen Onlineauftritte während der Corona-Zeit. Immerhin 120 Lieder, darunter auch alte und wiederentdeckte Songs aus älteren Zeiten hat er während dieser Zeit bei fünfzehn Online-Konzerten Streams gespielt. Technisch betreut von seiner Lebensgefährtin Kristjane. 

Es folgt ein kleines Liebeslied von einem an beiden Armen eingegipsten Küster und einer Näherin, die sich einen schönen Abend machen. Den Schlüssel zum Turm hat er in der Hosentasche, die Näherin hilft beim Herausholen. Aber Vorsicht, das Baguette! 

Der Rest ist Mut

In der gezwungenermaßen konzertfreien Coronazeit entstand Maurenbrechers aktuelles Buch "Der Rest ist Mut". Darin schreibt er über seine Erinnerungen an den Beginn seiner Karriere zu Beginn der 1980er und liest einen kleinen Ausschnitt über seine damalige erste Begegnung mit dem von ihm bewunderten Hanns-Dieter Hüsch: "Wie sehr wünschte ich mich so vielfältig und so radikal, aber nie erbarmungslos geben zu können wie dieser Meister auf dem Grat zwischen Pathos und Leichtsinn."

Anders erlebt er Wolf Biermann, als dieser in immer gleicher Manier seinem Publikum erklärt, "wie man Lieder schreibt". Ein Hörer verlässt nach der vierten Runde verärgert den Saal. "Ach lass uns doch gleich mitgehen", sagt Maurenbrechers Freundin. Was sie dann auch taten. 

MoMiDo

Maurenbrecher ist aber nicht nur ein Chronist seiner Zeit, sondern ein Poet, der auch anders kann: "MoMiDo" beschreibt auf eine witzige und sehr aktuelle Art die heutige Arbeitswelt und die Veränderung, die hier inzwischen stattgefunden hat. Das Zauberwort: Work-Life-Balance. Der alte Sozialdemokrat Franz Müntefering (Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen…) würde sich wahrscheinlich im Grabe herumdrehen, könnte er dieses Lied hören. 

2018 schrieb Manfred Maurenbrecher unter dem Eindruck des Klimawandels und seinen Folgen den Song "Auf einmal gehts". Eine Zukunftsvison über eine Problematik, die immer drängender wird und die ihn damals einen Blick in die Zukunft wagen ließ, die wohl für so manchen auch heute noch übertrieben scheint. 

Inneres Ausland

Die Probleme dieser Welt sind das Eine, Maurenbrecher persönlich ist noch einmal etwas anderes. Ein leises, etwas melancholisch, fast schon lyrisch-mystisch anmutendes Stück über "das Dunkel von mir" aus seiner letzten CD "Inneres Ausland." 

Wenn wir immer nach Osten gehen… 

Einen aktuellen Bezug zum Ukraine-Krieg fand Mauenbrecher in einem alten Lied von 1984. Er hatte damals – nach einem Zeitungsbericht – eien Song über zwei sibirische Jungs geschrieben, die nach Amerika wollten. Einer der beiden hatte es nicht überlebt. 

… kommen wir von selber nach Westen

Im Zuge des Angriffs auf die Ukraine und Putins Einberufungsmodalitäten für junge russische Männer gab es wieder zwei junge Männer, die es jetzt – aufgrund des Klimawandels – leichter hatten, nach Westen zu kommen und damit ihrer Einberufung zu entgehen. Sie brauchten nicht mehr durch Eis und Schnee zu wandern, sondern konnten ein Boot nehmen. 

Wann seid Ihr frei? 

Eine ganze Menge wäre noch zu sagen über diesen Abend, der nicht nur ein begeistertes, sondern auch ein nachdenkliches Publikum hinterließ. Gegen Ende des Konzertes das Lied über die jungen Frauen im Iran, die einen Kampf um Unabhängigkeit und Freiheit kämpfen. 

Das Stück "Jedem seinen kleinen Wahn"schildert anschaulich ein Gespräch mit einem Andersdenkenden, das allerdings ein Monolog ist, weil – aus dramaturgischen Gründen – nur der Andersdenkende zu Wort kommt. 

Blumen aus Bitumen 

Fete de la musique. Dieser Song beschreibt, wie es heutzutage möglich ist, durch Tollpatschigkeit und Ungeschick "viral" zu gehen und Millionen Menschen via Internet zu erreichen. Und ganz nebenbei bekommen auch die woke Hausnachbarin und Kollege K. Wecker ihr Fett ab. 

Zum Angedenken an den ostdeutschen Liedermacher Gerulf Pannach von der Leipziger Band Renft spielt Maurenbrecher das Lied über einen Saxophonisten (Hol Dein Horn raus), das er zusammen mit Pannach vor Jahren für die Puhdys geschrieben hatte, von den Puhdys aber nicht genommen wurde, wie er bedauernd anmerkt. 

Über mir der Himmel … 

Mit seinem wahrscheinlich bekanntesten Stück "Hafencafé" geht ein wunderbarer Abend im Bochumer Kulturrat zu Ende und wie bei jedem Maurenbrecher-Konzert, das der Autor dieser Zeilen bisher erlebt hat, hinterlässt auch dieser Abend Nachdenklichkeit, Freude und die sichere Gewissheit, dass es noch Künstler in diesem Genre gibt, die ihre Bodenhaftung nicht verloren haben! 


Fotos © Eugen Zymner, Bochum

* "Menschen machen Fehler" ist das 23. Album des Berliner Liedermachers

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