Ein ganz besonderer Pionier der biologisch-dynamischen Agrarkultur feierte vor einigen Tagen (am 2.7.2023) seinen 90. Geburtstag.
von Immo Lünzer
Für Manfred Klett ist Landwirtschaft Kunst, genauer: Landbaukunst. Darunter versteht er, dass ein «innerlich erarbeitetes Ideenerleben» «über die Brücke der Arbeit nach außen zur Darstellung» kommt. So lässt er ein Gegenbild zur ‚modernen’ Agrarwirtschaft entstehen. Diese ist oft von industriellen und chemischen Prozessen, viel Bürokratie mit Verordnungen, Regulierungen und Kontrollen sowie anonymen Märkten geprägt. In der biodynamischen Agrarkultur geht es um eine ganzheitliche Sichtweise auf der Basis "geisteswissenschaftlicher Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft", wie sie Rudolf Steiner 1924 in seinem "landwirtschaftlichen Kurs" gelegt hat (Neuauflage Dornach 2022).
In seinem Buch "Von der Agrartechnologie zur Landbaukunst" (Dornach 2021) zeichnet Manfred Klett Aspekte von Wesen und Kulturgeschichte der Landwirtschaft nach und entwickelt ganzheitliche Grundlagen der biodynamischen Agrarkultur in ihrem Bezug zur Anthroposophie. Dazu gehören Boden, Fruchtfolge, Düngung, biodynamische Präparate, landwirtschaftliche Individualität und Bildung landwirtschaftlicher Betriebsgemeinschaften.
Wer ist Manfred Klett?
Er wurde wurde am 2.7.1933 in Tanganjika, dem heutigen Tansania, am Kilimandscharo geboren. Sein Vater war Zoologe, der in Tansania eine Kaffeeplantage bewirtschaftete und nebenbei die Pflanzenwelt an den Hängen des Kilimandscharo erforschte. Im Februar 1940 musste die Familie über Nacht das Land, das als Mandatsgebiet unter englischer Verwaltung stand, verlassen. So kam der "kleine Afrikaner" als Flüchtling nach Stuttgart, wo der Bruder des Vaters den bekannten Klett-Verlag leitete.
Der Vater war inzwischen Leiter der Landesanstalt für Pflanzenschutz in Baden-Württemberg. Ab 1947 besuchte Manfred Klett – nach der Schule Schloss Salem – die Stuttgarter Waldorfschule und machte dort 1953 Abitur.
Ein Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart nahm ein vorzeitiges Ende durch einen Unfall. Während eines einjährigen Arbeitsaufenthaltes im Nord-Osten Syriens entschloss er sich, Landwirt zu werden. Nach der Lehre folgte das Studium der Landwirtschaft an der Universität Stuttgart Hohenheim mit der Promotion im Fach Bodenkunde zum Thema: ‚Die boden- und gesteinsbürtige Stofffracht von Oberflächengewässern‘. Weitere vier Jahre waren der Forschung am Institut für Biologisch-Dynamische Forschung (heute Forschungsring) in Darmstadt zum Thema «Düngung und Nahrungsqualität» gewidmet.
Nach einer weiteren Lehre auf dem Dottenfelderhof (Bad Vilbel) übernahm er 1964 zusammen mit vier anderen Familien den ziemlich maroden Hof an der Nidda.
Vier zermürbende Jahre dauerte der Überzeugungskampf gegen die staatliche Nassauische Siedlungsgesellschaft, bis die Betriebsgemeinschaft im März 1968 mit der ersten Aussaat den Betrieb aufnahm.
„Ein Landwirt braucht geistige Zielsetzungen und Weitblick:
Alle Leute hier auf dem Hof denken in diesen Kategorien – nicht nur an morgen, sondern auch an übermorgen.“(Manfred Klett)
Nach zwanzigjähriger biologisch-dynamischer Aufbauarbeit mit Ehefrau Liselotte und fünf Kindern übernahm er die Leitung der "Landwirtschaftlichen Abteilung der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum" in Dornach/Schweiz.
Vierzehn und weitere acht Jahre später, die er als freier Mitarbeiter an der mittlerweile umgegründeten ‚Sektion für Landwirtschaft’ in Dornach arbeitete, kehrte er auf den Dotti (wie der Dottenfelderhof liebevoll genannt wird) zurück und nahm erneut eine Lehrtätigkeit an der dortigen Landbauschule auf. Außerdem betreut er seit vielen Jahren das Dorfprojekt Juchowo in Polen (das ich auch mal besucht habe).
Ich habe Manfred Klatt 1977 bei einer Hofführung auf dem Dotti (Dottenfelderhof) kennengelernt und dort 1978 mein sechsmonatiges Praktikum – plus Kurse an der Landbauschule – absolviert. Später bin ich ihm immer wieder begegnet und ich bin ihm sehr dankbar für all seine Impulse und Inspirationen.
Besonders beeindruckt haben mich seine Weisheit und seine in sich ruhende Seele! Und so möchte ich Manfred Klett mit diesem kleinen Betrag einen ganz besonders herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag sagen!
Immo Lünzer
(Archiv Ökologische Agrarkultur)
Foto 1: Manfred Klett – biodyn-wiki
Foto 2: Manfred Klett mit Studierenden bei einer Geologievorlesung (Foto: Landbauschule des Dottenfelderhofs, 2009)
Quellen:
https://biodyn.wiki/Manfred_Klett
https://m.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/bio-landwirt-manfred-klett-vom-dottenfelder-hof-13832408.amp.html
https://www.erziehungskunst.de/artikel/erziehungskuenstler/ein-leben-fuer-die-erde-manfred-klett/
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
…Natur und Menschen integrieren und includieren …
Dank für diese Mitteilung
die Bildung ist ein Markt
nur EDEKA und Erdbeeren bestimmen das Bewusstsein unserer schönen Republik….
noch