Gedanken zur Gegenwart

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von Michael Mentzel

Neues aus den USA

Einmal mehr stellt sich die Frage, ob wir tatsächlich alle verrückt geworden sind. Dass bei den aktuellen Nachrichten von der anderen Seite des Teiches die Reaktionen so verhalten sind, wie sie nun mal sind, verwundert kritische Geister zwar, aber die Gelassenheit, mit der auf die jüngste Ankündigung von Joe Biden seitens bundesdeutscher Medien reagiert wurde, ist dennoch bemerkenswert. Offensichtlich wird die erwartbare Eskalation, die beim Einsatz weitreichender amerikanischer Waffen durch die Ukraine eintreten wird und für Europa einen weiteren Schritt hin zu einer nicht mehr kontrollierbaren Entwicklung bedeuten könnte, in Kauf genommen. 
Die Biden-Entscheidung, der Ukraine nun doch weitreichende Waffen zu liefern, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem klar ist, dass im Januar 2025 ein neuer Präsident in das Weiße Haus einziehen wird. Aber manch einer fragt sich auch, was die amerikanische Entscheidung so kurz vor der Amtsübernahme von Donald Trump für Auswirkungen auf eben diese Übernahme haben könnte. Sollen Fakten geschaffen werden, die eine geordnete Übernahme erschweren? Man mag es sich gar nicht vorstellen. 

Olaf Scholz und der Taurus

Wegen der Biden-Entscheidung knallten im deutschen Außenministerium die Bio-Sektkorken. Frau Baerbock begrüßt diese Entwicklung, genau wie die üblichen Kriegsbegeisterten Roderich Kiesewetter & Co. Den nahenden Sieg vor Augen, hoffen die bundesdeutschen "Militärexperten" auf eine baldige Lieferung des Taurus an die Ukraine. Vor diesem Hintergrund lässt sich vielleicht auch verstehen, warum die Diskussion über die K-Frage bei der SPD so hochkochte. Inzwischen ist diese Frage geklärt und Herr Pistorius hat erklärt, dass Olaf Scholz ein guter Kanzlerkandidat ist und er nicht zur Verfügung steht. Vielleicht ein kluger Schachzug, denn dass die SPD die Wahl gewinnt, erscheint angesichts der derzeitigen Umfragewerte doch recht unwahrscheinlich. In einer großen Koalition aber wäre unter einem Kanzler Merz ein "Kriegsminister" Pistorius sicher denkbar.

Olaf Scholz schließt weiterhin eine Lieferung des Taurus an die Ukraine aus. In den einschlägigen Talkshows aber wird massiv für eine Ausweitung des Krieges getrommelt. In der aktuellen "Hart aber Fair" Diskussionsrunde am Montag war zu erleben, wie einig sich Norbert Röttgen (CDU) und Felix Banaszak (Grüne) in diesem Punkt waren. Mahnende Stimmen werden nicht mehr gehört oder mit dem Vorwurf einer mangelnden Empathie für die geschundene Ukraine bedacht. Und dass Frauen und Kinder immer gut für Werbekampagnen sind, weiß die Weltgemeinschaft seit der Brutkasten-Lüge der USA im ersten Irak-Krieg gegen Saddam Hussein. [1] 

Wie es aber mit dem Gedächtnis bundesdeutscher Politiker bestellt ist, wissen wir seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. 1949 die Gründung der Nato und in der Folge die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik mit der Bundeswehr, die dann 1956 – unter anderem mit dem ehemaligen Führungspersonal der alten Wehrmacht – ihren Anfang nahm. Mahnende Stimmen gab es genug. Dank Konrad Adenauers transatlantischer Ausrichtung aber wurden diese Stimmen überhört und so konnte es ab dem Oktober mit den Planungen 1950 losgehen. Auf der Webseite der Bundeszentrale für politischen Bildung können wir lesen: "Im Eifelkloster Himmerod entwarfen deutsche Militärs die grundlegende Planung für die Bundeswehr: die "Magna Charta der deutschen Wiederbewaffnung" (…) Manches klang wie eine Wiederauflage alter Kriegspläne: Es ginge in der Zukunft um eine europaweite 'Gesamtverteidigung von den Dardanellen bis nach Skandinavien'. Man verstand Verteidigung dabei 'von vornherein offensiv' und sah die Bewaffnung mit 'modernen Waffen', sprich: Atombomben, vor. Totaler Krieg ganz im Geist der Wehrmacht." [2]

Nun aber stehen wir – so der Eindruck – seit 1998 (völkerrechtswidriger Einsatz der Bundeswehr im Kosovo) vor dem Scherbenhaufen einer Politik, an der sowohl die SPD als auch die Grünen mit dem damaligen Außenminister Fischer einen maßgeblichen Anteil hatten, auch wenn es dem Kanzler Schröder 2003 gelang, die BRD aus dem Irak-Krieg herauszuhalten. Von einer Entspannungspolitik der SPD unter dem Kanzler Willy Brandt jedenfalls sind wir Lichtjahre entfernt. Die Grünen sind der olivgrünen Linie seit 1998 treu geblieben und haben inzwischen mit Anton Hofreiter, Annalena Baerbock und Robert Habeck ein kriegsbegeistertes Personal an den Schaltknöpfen einer Rest-Ampel, an der das gelbe Licht nicht mehr nur noch blinkt, sondern komplett ausgefallen ist. Keinesfalls sind das rosige Aussichten für die kommende Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Es ist auch nicht anzunehmen, dass sich an dieser Kriegsbegeisterung bis zu diesem Datum etwas ändern wird. Merz und Habeck würden gerne den Taurus liefern. Und ob sich durch den Amtsantritt von Donald Trump am 20. Januar etwas ändert, bleibt ebenfalls fraglich.

Gibt es Hoffnung?

Indes berichten Albrecht Müllers Nachdenkseiten von neuen Entwicklungen in den USA. Dort wird mittlerweile offen von einem "Stellvertreterkrieg" zwischen Russland und der USA gesprochen. [3] und auch der Ton in unseren öffentlich-rechtlichen Medien hat sich verändert. So lesen wir – ebenfalls bei den Nachdenkseiten – dass "laut einer einer Meinungsumfrage des Gallup-Instituts in dem Teil der Ukraine, der von Kiew kontrolliert wird, 52 Prozent der Befragten für 'schnellstmögliche Verhandlungen'" seien, dass dieser Meinungsumschwung von den deutschen Korrespondenten nicht verschwiegen werden und sogar mit "konkreten Beispielen illustriert werden". Diese Offenheit deutscher Korrespondenten sei ungewohnt, schreibt Ulrich Heyden. [3] 

Aktuellen Nachrichten zufolge sei Wolodomir Selensky bereit zu Verhandlungen mit Moskau und zu Gebietsabtretungen an Moskau. Voraussetzung dafür sei aber ein Natobeitritt der Ukraine. [4]

Auch wenn es wieder Schlaumeier gibt, die dem Autor dieser Zeilen eine gewisse Naivität vorwerfen mögen [5], möchte er doch einmal auf etwas hinweisen, was vor über 100 Jahren gesagt wurde von jemandem, der "eigentlich" nicht als "Pazifist" verdächtigt wird, nämlich Rudolf Steiner: 
"… setzen wir den Fall, man will das, diese Voraussetzung können wir ruhig machen, das hindert ja nicht – und nichts, was aufgetreten ist bis jetzt, wenn man es analysiert, hindert -, daß man dasjenige unternimmt, was zum Heile der Menschheit unternommen werden muß, nämlich aufzuhören mit dem Blutvergießen! Ich könnte mir nur eine einzige Sorte von Menschen denken, die infolge ihrer Verblendung nicht zu sich kommen würden: diejenigen, welche es auch in unserer Gegenwart gibt, die sagen: Wir wollen einen absolut dauerhaften, ganz vollkommenen Frieden haben, und bevor wir den nicht haben, können wir den Krieg nicht einstellen. – Es gibt viele solche Menschen, sie nennen sich oftmals auch Pazifisten. Einige haben in den letzten Tagen angefangen, sich einer solchen Haltung zu schämen und geben vernünftigere Urteile ab. Aber es konnte im Verlaufe dieser schmerzlichen Ereignisse dazu kommen, daß die Leute sagten: Wir kämpfen für einen dauerhaften Frieden – ohne zu merken, daß das wirklich bloß Blech ist; aber man kann heute Blech reden, indem man den Anschein erweckt, höchste Ideale zu verkünden.
Nein, meine lieben Freunde, dasjenige, was ein ewiges Friedensideal ist, das wird niemals durch ein Tröpfchen Blut erreicht, das hervorgerufen worden ist durch ein Kriegsinstrument. Das muß auf ganz andere Weise in die Welt gesetzt werden! Und sei es wer immer, der da sagt, er kämpfe für den Frieden und müsse deshalb Krieg führen, Krieg bis zur Vernichtung des Gegners, um Frieden zu haben – er lügt, wenn er sich dessen auch nicht bewußt ist, wer er auch immer sein möge!" [6] [Hervorhebung v.d. Redaktion]

Dem ist nichts hinzuzufügen.


[1] https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/video-erster-irakkrieg-die-baby-luege-der-usa–102.html
[2] https://www.bpb.de/themen/militaer/deutsche-verteidigungspolitik/199276/die-politik-der-wiederbewaffnung/
[3] https://www.nachdenkseiten.de/?p=125433
[4] https://www.t-online.de/nachrichten/ukraine/id_100541970/ukraine-selenskyj-erwaegt-gebietsabtretungen-an-russland-bei-nato-beitritt.html
[5] Ein Anthroposophie-Experte als Replik auf einen Beitrag des Autors, in dem dieser 2014 den Gedanken aussprach, dass die Kanzlerin Merkel doch vielleicht Anstrengungen unternehmen könne, zwischen Ost und West eine Vermittlerrolle einzunehmen. In diesem Beitrag kam das Wort "Steiner" allerdings noch nicht einmal vor.
[6] Rudolf Steiner, Gesamtausgabe 173 – fünfter Vortrag, 16. Dezember 1916

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