Ein kluges Buch

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Der Beitrag erschien erstmals im Januar 2017 auf unserer damaligen TdZ-Webseite

Kultureller Rassismus – Anthroposophie und die Integration südafrikanischer Waldorfschulen. Über ein Buch von Eric Hurner, einem südafrikanischen Waldorflehrer, erschienen im Lohengrin Verlag

michael mentzel/tdz. – Das Buch schreibt einer, der sich selbst als "ausländischen Anthroposophen mit starken antirassistischen Vorurteilen" beschreibt. Das klingt interessant und auch neugierig machend. Ein antirassistisches Vorurteil zu haben kann ja auch bedeuten, ein entspanntes Verhältnis zum Rest der Welt zu haben und Anthroposophie und Waldorfpädagogik nicht ausschließlich durch die Brille einer akademischen Steinerforschung zu betrachten. Und das ist etwas, was einem Anthroposophen auf jeden Fall gut ansteht. Anders als so geht Weltbürger gar nicht. 

Der 1952 geborene Hurner wuchs in Südafrika auf und besuchte dort die Waldorfschule. Seine Mutter war Waldorflehrerin und gehörte zu den Pionieren der dortigen Waldorfbewegung. Er selbst wurde dann (1982) selber Waldorflehrer. In Südafrika gab es bereits ab 1963 multirassische Schulen, zumeist waren dies katholische oder anderweitig reformpädagogisch orientierte Schulen. Die Waldorfschule allerdings war ein Privatschule, schwarze Eltern konnten sich das Schulgeld nicht leisten und wohnten zumeist weit entfernt von den Wohngebieten der weißen Bevölkerung. Gemischte Schulen waren ohnehin gesetzlich verboten. Von den tatsächlichen Zuständen im Land hätte er tatsächlich erst erfahren, als er nach Europa gekommen sei und einen Zugang "zur ganzen, bei uns verbotenen Literatur über die Apartheid hatte (…)" Das Fernsehen sei in Südafrika erst 1976 eingeführt worden. 

Für die Anhänger der – insbesondere auch der deutschen – Waldorfschulbewegung war es klar, dass eine Schule in Südafrika, in der schwarze und weiße Kinder unterrichtet werden, nichts anderes bedeuten könne, als das es sich hier nur um eine in die Zukunft gerichtete Bewegung zur Überwindung der Rassentrennung handeln könne. Die Berichte darüber waren spärlich gesät, viel wusste man nicht vom inneren Gefüge der Waldorfschulbewegung in Südafrika. Er selbst kenne keinen Bericht, so sagt Hurner, in dem "die Situation der südafrikanischen Waldorfschulen während oder nach der Apartheid zusammenhängend" dargestellt sei. Umso interessanter ist die detailreiche Schilderung des Autors über die ersten Waldorfschulgründungen in Südafrika und die damit verbundene Entwicklung, wie sie sich über die Jahre vollzogen hat. 

Das Buch beschreibt die Anfänge, nennt Namen, die auch in Europa, in Deutschland und den Niederlanden bekannt sind und verschafft den Leserinnen und Lesern so einen ziemlich genauen Einblick in die damaligen südafrikanischen Verhältnisse. Dabei wird manches relativiert, was bei uns in Deutschland all zu blumig herübergekommen sein mag. Gleichwohl sei die Rassenfrage, so Hurner, in der Schule nie ein Thema gewesen und es sei nie versucht worden, den Schülern Meinungen über die Rassenfrage aufzudrängen. 

Anders hätte es allerdings bei der Elternschaft ausgesehen: "… unter ihnen war das ganze Spektrum von Rechtsextremisten bis zu Anti-Apartheid-Aktivisten vertreten."

Es entsteht so ein ziemlich genaues Bild über den Wandel, den die südafrikanische Gesellschaft während der 80er Jahre des vergangengen Jahrhunderts durchgemacht hat und wie es der Waldorfschulbewegung gelungen sei, sich in diesen turbulenten Jahren über Wasser zu halten. Dabei macht der Autor keinen Bogen um die Frage, wie die, in Deutschland würde man vermutlich sagen, vordergründig paternalistischen Verhaltensweisen der weißen Bevölkerung, speziell eben auch der Waldorfbewegung es vermocht hätte, einen Rassismus zu konservieren, der in Südafrika wohl bis heute Bestand zu haben scheint. 

Hurners Entschluss, das knapp 60 Seiten dicke Büchlein zu schreiben, sei ihm gekommen, als Ansgar Martins sich auf seinem Waldorfblog über eben diese Verhaltensweisen Gedanken gemacht hätte. Dies hätte er nicht so stehen lassen können, schrieb er in der Einleitung, denn die aus seiner Sicht unberechtigte Unterstellung eines kulturellen Rassismus, der nicht biologisch, aber sehr wohl aus paternalistischen Gründen begründet sei, sei ihm durchaus fremd und unberechtigt erschienen, denn Verhaltensweisen wie die von Martins beschriebenen seien ihm während seiner Zeit weder als Schüler, noch als Lehrer von südafrikanischen Waldorfschulen nie begegnet. Gleichwohl wolle auch er nicht ausschließen, dass es so etwas gegeben haben möge oder auch heute noch gibt. 

Dass dieses kleine Büchlein in Deutschland erscheinen konnte, ist Arfst Wagner und seinem kleinen Lohengrin-Verlag zu verdanken. Arfst Wagner ist einer der ersten in Deutschland, der sich durch seine Publikationen über Anthroposophie und Nationalsozialismus in Deutschland schon sehr früh einen Namen gemacht hat. 

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