Zu seinem Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz erreichten den Autor Wolfgang Herzberg einige Leserzuschriften. In dem folgenden Meinungsbeitrag präzisiert er noch einmal sein Anliegen.
Wolfgang Herzberg
Diesen Krieg kann keine Seite gewinnen:
weil damit nur alle umkämpften Gebiete weiter in Schutt und Asche gelegt werden, Tausende und Abertausende ukrainische und russische Soldaten fallen, Zivilisten getötet und millionenfaches Flüchtlingselend auf allen Seiten erzeugt werden. Die finanziellen und militärischen Hilfen der Nato sind an an ihre Grenzen gelangt. Auf Dauer können weder die immer weiter wachsenden Staatsschulden, die galoppierende Inflation und die Flüchtlingsproblematik den westlichen Bevölkerungen vermittelt werden. Es kommt hinzu, dass die eigenen Sozialsysteme kollabieren, die sozialen und politischen Spaltungen wachsen und so die internationalen Herausforderungen der ökologische Krise mit Sicherheit nicht bewältigt werden können.
Beide Seiten können weder das ukrainische, noch russische Hinterland erobern:
um die militärischen Kommandozentralen in den Hauptstädten zu zerstören. Damit wäre endgültig der Weltfrieden gefährdet, weil Nato, Russland und auch China, damit nicht nur indirekt, sondern direkt in den Krieg eintreten würden, mit der Gefahr eines Atomkrieges.
Unabhängigkeit der Ukraine ist Völkerrecht:
Die Ukraine hat das Recht auf Unabhängigkeit und stärkere Integration in die Europäische Gemeinschaft. Aber sie muss dabei – als eine Geburtsstätte der russischen Staates – die langen historischen und ethnischen Verbindungen zu Russland berücksichtigen. Sie kann weder Ukrainer und Russen sinnlos ihrer Kriegführung opfern. Sie muss deshalb Interesse daran haben, eine Art föderales Verhältnis zu Russland anzustreben, zu einem Land, das sich ansonsten auch von der Nato bedroht fühlt und gerade von seinen Westgrenzen her wiederholt kriegerisch überfallen wurde. Die Ukrainer müssen sich darüber klar werden, dass sie die russische Abhängigkeit nur durch die westliche Abhängigkeit eintauschen, anstatt eine Vermittlungsstellung zwischen Russland und dem Westen anzustreben.
Russland hat das Recht, seine bedrohte, russisch ethnische Minderheit in der Ukraine zu verteidigen:
und die gewachsenen territorialen und nationalen Bindungen an die Ukraine auf föderale Weise aufrecht zu erhalten. Aber es hat kein Recht, dafür die ganze Ukraine in Schutt und Asche zu legen und die ukrainische und russische Bevölkerung auf diese Weise in kriegerische Mitleidenschaft zu stürzen, noch dazu, wo eine lange gemeinsame, russisch-ukrainische Geschichte existiert.
Der Nato, mit den USA an der Spitze, kommt eine Schlüsselrolle bei einer Friedenslösung zu:
indem sich hier die Erkenntnis – auch mit Hilfe der Friedensbewegung – durchsetzen muss, dass dieser Krieg auf Seiten der Ukraine nicht zu gewinnen ist und die Nato-Waffenhilfe diesen Krieg nur sinnlos verlängert und damit auf allen Seiten, auch im Westen, Opfer und damit zurecht zunehmenden Widerstand erzeugt. Die Nato ist Kriegspartei und das hält keiner Rechtsstaatsauffassung, keinen Nato-Statuten und keiner UN-Charta stand, wenn zudem sich zwei Seiten tödlich bekriegen und auch noch eine Seite, durch Finanzierung und Waffenhilfe, immer tiefer in diesen Krieg hineinzutreiben, der nicht zu gewinnen ist.
Zudem haben die Herrschenden in den USA seit je her den miserablen Ruf, weltweit Kriege zu führen, um als selbst ernannte „Führer der freien Welt“, den Weltpolizisten zu spielen. Das allerdings ist laut UN-Charta völkerrechtlich gerade nicht vorgesehen. Durch die Nato-Osterweiterung und die Militarisierung der Ukraine, trotz Verzichtserklärung gegenüber Gorbatschow, tragen die USA und der Westen eine Mitverantwortung an diesem Krieg und dadurch auch eine Mitverantwortung für eine Friedenslösung. Das trifft auch auf deutsche Politiker zu, die danach zu beurteilen sind, wie sie die bitteren Erfahrungen der deutschen Geschichte sowohl im ersten, wie auch besonders im zweiten Weltkrieg bei ihren Friedensbemühungen beherzigen, weil Russen und Ukrainer entscheidend dabei mithalfen, die Deutschen von der Hitlerherrschaft zu befreien und damit auch mithalfen, den Völkermord an den Juden beendeten.
Beendigung der Delegitimierung der Friedensbewegung:
Durch westliche Politiker, Leitmedien und Geheimdienste muss die Abwertung der Friedensbewegung aufhören. Die Friedensbewegung wird der Querfront und der gemeinsamen Sache mit rechten Kräften verdächtigt. Aber die Rechten schüren nur nationalistische Gesinnungen bei ihrem Wählerfang. Die Friedensbewegung kann diesen rechten Kräften nicht die Deutungshoheit überlassen, weil sie sich, im Gegensatz dazu, um eine internationalistische Friedenslösung bemüht, die möglichst allen Seiten gerecht wird und deshalb eine einseitige Schuldzuweisung in diesem tragischen Konflikt vermeidet.
Es existiert bisher in der öffentlichen Debatte keine Auseinandersetzung mit den Friedensbewegten auf Augenhöhe. Damit existiert bisher damit keine Debatte und politische Meinungsbildung auf der Basis von weit verbreiteten Sorgen und Bedenken, in der Mitte aller Gesellschaften, diesem sinnlosen Krieg gegenüber. Es findet eine Kriegsberichterstattung statt, die einseitig die Propaganda der ukrainischen Machthaber wiedergibt und weder die nationale, noch internationale Meinungsvielfalt widerspiegelt. Es wird versucht, Friedenssehnsucht und Friedenslösungen zugunsten weiterer Kriegsführung zu unterdrücken und die westliche und ukrainische Kriegsführung apologetisch zu legitimieren. Der Begriff des "Angriffskrieges" durch Russland dient dabei als Schlüssel-Ideologie. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass es auch ein russisches Motiv für einen Verteidigungskrieg geben könnte, um die russische Minderheit zu schützen, die eine rigorose Abspaltung von Russland in der Ostukraine und der Krim mehrheitlich nicht wollte, wie es einst im "Minsker Abkommen", dem beide Seiten zustimmten, auch vereinbart war.
Wege zum Frieden durch Annäherung und nicht durch Konfrontation:
Es gab in der jüngsten Geschichte immer wieder Beispiele, wie Wege zum Frieden gefunden werden konnten. Obwohl alle diese Wege ihre nationalen Besonderheiten aufwiesen, sei hier an die Rolle von Mahatma Gandhi in Indien, Martin Luther King in den USA, Nelson Mandela in Südafrika, Gerry Adams in Nordirland und nicht zuletzt an Willy Brandt in Deutschland erinnert.