Ausschnitte aus einem Streitgespräch zwischen Ansgar Martins und Philip Kovce
von Michael Mentzel
Wie wird Esoterik in den Medien heute dargestellt? Die Anthroposophie, aber auch die Esoterik stehen mehr als je zuvor im Fokus der Medien. Während der Anthroposophie-Tage in Berlin im März 2023 lieferten sich in einem "Streitgespräch" [1] Ansgar Martins und Philip Kovce einen verbalen Schlagabtausch über die Stellung der Esoterik im Allgemeinen und der Anthroposophie im Besonderen.
In dem von Laura Krautkrämer (Info3) zurückhaltend moderierten Gespräch, das eigentlich eher die Wiedergabe statementartiger Gesprächsausschnitte ist, versuchen die beiden Kontrahenten, der Frage der medialen Darstellung von Anthroposophie und Esoterik nachzugehen, eine eigene Standortbestimmung zu geben und zu klären, welchen Platz Esoterik in unserer Gesellschaft heute einnimmt.
Philip Kovce, Philosoph und Autor zahlreicher Beiträge in namhaften Publikationen stellt einleitend dar, das es sehr einfach sei, sich das Werk Rudolf Steiners "vorzuknöpfen" und
dabei zu dem Ergebnis zu kommen, dass es "irgendwie Hokuspokus" und "aus der Zeit gefallen" sei. Beschäftige man sich allerdings mit Rudolf Steiner selbst und der Genese seines Werkes, könne man durchaus zu anderen Schlüssen kommen. Ende des 19. Jahrhunderts, als Steiner seine "Raumfähre Anthroposophie" im Sinne einer neukantianischen Philosophie zu entwickeln versucht, scheitert er damit, versucht dann, diese Raumfähre "theosophisch zu landen", scheitert wiederum und er erfindet die Erde neu, damit die Raumfähre Anthroposophie darauf landen kann. Steiner bediene sich dabei unterschiedlicher methodischer Ansätze, die dazu dienen sollen, dem Publikum seine Erkenntnisse so zu vermitteln, dass sie verstehbar und begründbar sind. Schaue man so auf das Werk Steiners, gelte es nach den Worten Steiners, "dass man die Anthroposophie am Anfang ihres Werdens begreifen müsste".
Ansgar Martins ist derzeit ein gefragter Anthroposophie-Experte. Seine wesentliche Expertise besteht allerdings oft darin, das zeigen etliche seiner Beiträge, die er jüngster Zeit geliefert hat, die Aussagen des Religionswissenschaftlers Helmut Zander in immer neuen Variationen vorzutragen. Sein Eingangsstatement lautet: Von anthroposophischer Seite werde immer so getan, "es habe ja nichts mit nichts zu tun, stattdessen aber: "die wahre Botschaft sei ja die Philosophie der Freiheit". Versuche man aber, bei diesem Thema zu bleiben, verschwimme das ganze dazu, dass Steiner ja "eigentlich nur so philosophisch spirituelle Anregung machen wollen sollte [sic!]." Es gebe zwar eine Rhetorik der Individualität, wo nichts festgeschrieben sei, fünf Zeilen später aber kämen dann doch wieder die Stereotypen und Denkmuster zur Anwendung, wie "Ahriman und Luzifer", "Mitteleuropa zwischen Ost und West", "die vierTemparemente", "zwölf Weltanschaungen" etc.
Im Verlauf dieser Debatte treten die fundamentalen Unterschiede der jeweiligen Standpunkte deutlich zu Tage. Die Ausführungen Kovces lassen auf einen freien und vorurteilslosen Umgang mit dem Werk Steiners schließen, während die im Gegensatz dazu fast schablonenhaft vorgetragenen Argumente Ansgar Martins es einigermaßen schwer machen, einen roten Faden in seinen Statements zu entdecken. So entgegnet Martins seinem Gesprächspartner mit immer wieder gehörten und inzwischen sattsam bekannten Kritikpunkten an der Anthroposophie wie auch der Waldorfpädagogik. Dabei gelingt es ihm, wie auch in den vorangegangenen Gesprächen, sei es im SRF im Gespräch mit Martina Maria Sam [2] oder einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung [3], wo es um Esoterik ging, seinen Topos, die Anthroposophie sei eine "Imitation von Wissenschaft", wieder einige Male unterzubringen. Und es zandert und rautenbergt tatsächlich zwischen den Zeilen, wenn bei Martins zu vernehmen ist, das es legitim sei, zu fordern, dass die Finanzierung von Waldorfschulen eingestellt werden müsse, dass die Anthroposophie "irgendwie ´ne Intellektuellen-Religion" und eine "Unternehmer-Religion" sei: "Die Anthroposophie beschäftigt halt ein Milieu, in dem immer wieder kulturelle Eliten angesiedelt sind."
Dass sich Anthroposophie auch anders und lebendiger darstellen lässt, als es Ansgar Martins oder Oliver Rautenberg und andere sich zur offensichtlichen Lebensaufgabe gemacht haben, hat dieses Streitgespräch zwischen dem "Waldorfschüler mit der Lizenz zum Klugscheißern" [4] und Philip Kovce nach Ansicht des Rezensenten eindrucksvoll bewiesen.
foto: Sceenshot Youtube-Video
[1] youtube.com/watch?v=r8OQu4uw0wI
[2] youtube.com/watch?v=0ZLx6XC7SqQ
[3] https://www.bpb.de/mediathek/video/513574/vertiefung-a4-anthroposophie-wellness-philosophie-gefaehrliche-sekte-oder-sinnvolle-antwort-auf-die-rastlose-moderne/
[4] Anmerkung, gefallen bei einem Treffen anthroposophischer Redakteure und Journalisten zu Ansgar Martins "Waldorfblog"